Bevor wir ins Basecamp aufbrechen konnten, stand erst einmal Packen auf dem Programm. Sämtliches Gepäck für die ganze Expeditionscrew musste auf Transportschlitten geladen werden – Dufflebags, Boardbags, Expeditionszelte, zwei Jurten, Essensvorräte, ein Ofen, Kerosinvorräte, eine mobile Küche, Film- und Fotomaterial. Erneut standen wir vor einem Materialberg. Irgendwie schafften wir es aber, alles auf die Transportschlitten und Snowmobile aufzuladen und zu verschnüren. Voller Erwartungen, aber auch mit gebührendem Respekt vor den kommenden Tagen setzten wir uns auf die Snowmobile und warteten auf den Startschuss von Steve: «We’re ready boys! Let’s go!»
Dem Snowmobil von Steve folgend brach unsere Schlitten-Karawane endlich aus Longyearbyen Richtung Südwesten auf. Vor uns ein Tagesritt durch ewig lange Gletschertäler, vorbei an der russischen Kohlemine Barentsburg am Grønfjord und weiter zum Pass am Christophersenfjellet.
Wir waren völlig überwältigt von der Schönheit der arktischen Landschaft.
Steve mahnte uns immer wieder zur Gelassenheit. Die Krönung sollte erst noch kommen! Denn erst von diesem Pass runter, hinab auf den massiven Fridtjovbreen würden wir sehen, wohin uns unsere Reise eigentlich hinführte.
Als hätte er es geahnt, war die Euphorie bei den einen wohl etwas zu gross und der erste Rollover mit dem Snowmobil samt Schlitten war auf halbem Weg Tatsache. Glücklicherweise verletzte sich niemand dabei und via Ferndiagnose übers Satellitentelefon konnten wir sogar das Snowmobil wieder zum Laufen bringen. Das nötige Glück schien also auf unserer Seite zu stehen und es blieb nur zu hoffen, dass dies auch so bleiben würde. Denn es gab schönere Vorstellungen, als in der rauen Wildnis von Svalbard einen Rettungsnotruf absetzen zu müssen, notabene am ersten Tag unserer eigentlichen Expedition.
Steve hatte nicht zu viel versprochen. Die ersten Blicke über den Fridtjovbreen, den grössten Gletscher des zentralen Nordenskiöld Lands, entschädigten für alle Strapazen da draussen. Es blieb uns buchstäblich die Luft im Hals stecken vor lauter unberührter, tief eingeschneiter Peaks. So viele unglaublich schöne Couloirs in allen Himmelsrichtungen, dass wir uns kaum entscheiden konnten, welche denn fahrbar sein könnten. Eines der eindrücklicheren davon war das eigens von Steve benannte Tight Butt Hole Couloir.
Was auch immer der Hintergrund dieses Namens war, dachten wir uns mit einem Lächeln und fuhren das letzte Stück hinunter zum Van Mijenfjorden. Von der Gletscherzunge aus, ging es nur noch kurz seitlich einen hufeisenförmigen Bergkessel hinauf auf eine Anhöhe des Sagabreens.
Da standen wir nun also, am Ort unserer Träume, umringt von der Bergkette des Hanekammens. Irgendwie unwirklich, plötzlich mittendrin zu stehen. Mitten in dem Ort, welchen wir bisher nur von Bildern kannten. Bilder, welche Ryan vor zwei Jahren während einer Schiffsreise durch die Fjorde von Svalbard geschossen hatte.